Hurenstigma und Slutshaming – warum das eine ohne das andere nicht denkbar ist:
In diesem Beitrag zum internationalen Frauentag (8. März 2025) sowie dem internationalen Tag für die Rechte von Sexarbeitenden (3.März 2025) geht es um die enge Verflechtung dieser beiden Stigmata.
Frau* bzw. weiblich gelesene Person und Hure
Mit Hure ist mitnichten „nur“ die Sexarbeiter*in gemeint.
Das aus dem mittelhochdeutschen stammende Wort meinte im ursprünglichen Sinne „Liebste“ oder „Liebhaber“ (auch die männliche Form), seit Martin Luther wurde damit aber die „Ehebrecherin“ gemeint für die er übrigens die Todesstrafe forderte. Bis dato waren „Dirnen“ recht normal angesehene Bürgerinnen in Europa. Man schätzt daß ¼ aller Frauen diesen Job zumindest zeitweise ausgeübt haben.
Beim Slutshaming geht es um die Negativ-Folie zu dem, was an gesellschaftlicher Erwartung auf weiblich gelesenen Personen liegt. An das Bild der „ehrbaren“ Frau sind noch immer eine Menge sexistischer Zuschreibungen geknüpft.
Es scheint unerträglich wenn diese mit ihrem eigenen(!) Körpern etwas anderes machen was vermeintlichen moralischen Ansprüchen nicht genüge leistet!
Also kann man Frauen* damit drohen sie aus dem Sozialgefüge aus der Gesellschaft auszuschließen – du willst doch nicht sein wie „so eine?!“
Hure wurde als Schimpfwort benutzt um der im Patriarchat unterdrückten Frau eine weitere machtlose Nische aufzuzwingen.
BESCHÄMUNG
ist ein zentrales Machtinstrument dabei.
Mit Scham wird Anpassung erzwungen, eine Norm geformt.
Doch wer definiert abweichendes, unangepasstes sexuelles Verhalten?
Slutshaming wird unabhängig von wirklicher Sexualität benutzt.
Im Gegenteil wird es sogar oft dann als Beschimpfung verwendet wenn eine Frau* eben diesen nicht gewähren möchte!
Auch geht oft eine Täter-Opfer Umkehr, also Victim-Blaming einher:
du bist Schuld weil...
2018 wurde in Irland ein 27jähriger Mann freigesprochen an Vergewaltigung an einer 17 jährigen weil diese einen Spitzentanga trug (sic!) keine Pointe!
Seit 2011 gibt es sog. #slutwalks, nachdem ein Polizist zum Thema der präventiven Verbrechensbekämpfung offiziell gesagt hatte Frauen sollen sich nicht wie Schlampen kleiden wenn sie nicht vergewaltigt werden wollen.
Es handelt sich um das Reclaimbing des Begriffes.
Dies meint das vermeintliche Schimpfwort als Selbstbeschreibung zu nutzen und so zu „entwaffnen“.
Es geht um Rollenzuweisungen die Frauen* sozial isolieren.
Es geht um zumeist kostenlose Carearbeit – unser gesellschaftliches System fußt darauf daß die Hälfte der Bevölkerung ihren Job „für lau“ macht.
Und nein, wir sind nicht viel weitergekommen, in Chefetagen sitzen lediglich 17% weiblich gelesene Personen, der Anteil von Frauen* im Bundestag ist ähnlich niedrig wie vor 100 Jahren.
Bis vor kurzem wurde nicht nur Vergewaltigung in der Ehe nicht nur als solche nicht geahndet, vielmehr wurdest du als Frau auch „schuldig geschieden“ wenn du deinen ehelichen Pflichten nicht nachkamst.
Sexualität wird immer noch fast ausschließlich männlich gedacht (und das übliche „Frauen werden mitgedacht“ einfach dazu gebastelt)
Es reicht ja das Behältnis, die Scheide für ein mögliches Schwert/Penis zu sein. Da braucht es nichts eigenes.
Frauen* bleiben in einem ständigen Spagat zwischen „zu prüde“ und „zu promiskuitiv“ gefangen sind. Die patriarchale Gesellschaft stellt sicher, dass sie es nie richtig machen können.
Die Diskriminierung der Sexarbeiterin fungiert hier als Mittel der sexuellen Unterdrückung aller Frauen „du Hure“.
Die Sichtbarkeit der weiblichen Sexualität sollte also nicht sein.
Große Cunts/Klitoriden gelten auch heute wieder als unschicklich, sie wurden in der Vergangenheit z.B auch als „Beweis“ herangezogen daß es sich um eine Hexe handeln sollte, ein sog. #Hexenmal was einem Todesurteil gleich kam.
Auch wurde sie als Grund für lesbische Liebe und „Lasterhaftigkeit“ hergezogen.
Gruß an alle tolle Frauen* mit ihren großartigen Klitoriden, Mösen, Cunts, Vulven...
Dieses Organ ist ausschließlich(!) dazu da um Lust zu bereiten – es hat sonst keine biologische Funktion.
Schlampe ist ausschließlich weiblich gelesen und ein Schimpfwort wohingegen Don Juan und Marquise de Sade ihre Namen auf entsprechend wissenschaftliche Art und Weise einbringen konnten.
Weibliche Geschlechtsteile werden fast ausschließlich als Schimpfworte benutzt, während Männer genüsslich „rumpimmeln“ oder durch das Zimmer „propellern“
Es reicht!
Wir Fotzen jetzt zurück!
Sexarbeitende stehen trotz Emanzipation und postfeministischer Zeit immer noch am Rande der Gesellschaft.
Also kann man Frauen* damit drohen sie aus dem Sozialgefüge aus der Gesellschaft auszuschließen – du willst doch nicht sein wie „so eine?!“
Das Stereotyp der Schlampe wird mit dem Stereotyp des Opfers gleich gesetzt.
Slutshaming will mundtod machen indem die Person als solche nicht für voll genommen wird.
Den heutigen Prostitutionsgegner*innen geht es mitnichten um die Verbesserung der Situation von uns Sexarbeitenden – das Bestreben ist ein moralischer Duktus der unser Tun und Treiben (wieder) in die Illegalität treibt.
Die Diskriminierung der Sexarbeiterin fungiert als Mittel der sexuellen Unterdrückung aller Frauen „du Hure“.
Bemerkungen über Kleidung z.B sollen darüber hinwegtäuschen daß dem Gegenüber keine fachlichen bzw. sachlichen Argumente mehr einfallen. Eine Nebelkerze die zusätzlich noch wie Pfefferspray wirken soll.
Du bist eine Hure wenn du die von Männern gemachten Regeln überschreitest und somit in ihrer überlegenen Stellung bedrohst
WILDE FRAUEN
Frauenrechte und SW Rechte sind eng miteinander verflochten.
Schon in der Frauenbewegung der 1970er Jahre hieß es:
„Haben die Huren gewonnen, haben wir alle gewonnen!“
In der für Frauen rezessiven Renaissance / Neuzeit erklärte Papst Pius V ausgerechnet am Feiertag der Hl. Magdalena (22.7.1566) jegliche Prostitution in Rom für abgeschafft – dies führte jedoch zu einem Aufruhr bei den SW, ihren Liebhabern, ihrem Personal, immerhin alleine in Rom 5.-6.0000 SW und
der Papst musste zurückrudern.
Im Jahr 1912 demonstrierten die Suffragetten in New York mit knallrot geschminkten Lippen für das Frauenwahlrecht.
Im Managementtraining wird einem heute beigebracht daß auffällig geschminkte Lippen ein Mittel sind um der Zuhörerschaft zu signalisieren daß man was zu sagen hat.
Im NS Regime war es für die deutsche Frau verpönt sich zu schminken, Lippenrot wurde so auch zu einem Zeichen des Widerstandes gegen die Nazis.
In den 1960er Jahren verbrannten Frauen öffentlich ihre BHs um damit gegen stigmatisierende und einengende Körpervorschriften zu demonstrieren.
FORDERUNGEN:
Die Scham loswerden vor uns selber auch und gerade um zu schützen, denn wie soll ich etwas schützen was ich nicht kenne?
Aufklären, wild und frei sich selbst und seine eigene Körperlichkeit und Sexualität feiern können!
Netzstrümpfe und Stöckelschuhe sind seit Tina Turner Rock'n'Roll – egal ob auf einer großen Bühne oder der Fußgängerzone von Bielefeld!
Weg von diesem starr gedachten „nur Penis in Vagina sei Sex“ - es gibt so viel mehr zu entdecken!
Einen souveränen und empathischen Umgang lernen mit Körperlichkeiten,
Befähigung zum aktiven Gestalten, weg vom passiven Opfer.
Egal nun ob es um Sexarbeit geht oder um anderweitige sexuelle Aktivitä.
Respekt und Akzeptanz von Frauen* die sexuelle Dienstleistungen verkaufen
Respekt und Akzeptanz der (genussvollen) weiblichen* Sexualitä
Denn die enge Verflechtung von Frau* und Hure geht uns alle an.
Unsere Sexualitä gehöt uns – nicht der Gesellschaft, nicht dem Staat, nicht den Mänern, nicht den Moralwähter*innen!
Und erst wenn alle Frauen* – unabhängig von ihrer Sexualität oder Berufswahl – frei von Scham und Unterdrückung leben können, haben wir wirklich Gleichberechtigung erreicht.