Wer kontrolliert wen?



Im Grunde genommen fordern die angeblich so feministisch orientierten Prostitutionsgegner*innen ein Konzept was ur-patriarchaler nicht sein kann – nämlich die institutionalisierte Kontrolle über die Sexualität statt der individuellen, selbstbestimmten.



Sexualität, ein ohnehin total verzerrter Begriff der uns seit ca 1800 begleitet, wurde das erste mal in einem Botanik-Werk erwähnt und meinte ursprünglich wirklich nur die Bienchen und Blümchen.



Sexualität, was auch in der sexuellen Revolution der 1960er Jahre so großartig gefeiert wurde meint jedoch auch da nur einen minimalen Teil der Leiblichkeit um die es eigentlich geht.


Nie missend wollen was es für uns und unsere Gesellschaft getan hat – endlich wurden „wilde Ehen“ nicht mehr länger per se abgeurteilt, der “Kuppeleiparagraph“ wurde aus den Gesetzestexten entfernt - er stellte es unter Strafe wenn in Pärchen in einer Wohnung Sex hatte etc.


Doch wirklich frei wurden Frauen dadurch auch noch nicht, noch immer kämpfen wir wenn es darum geht unser Recht auf sexuelle Selbstbestimmung durchzusetzen. Noch immer existiert ein elender § 218 in den Gesetzestexten und wird angehenden Gynäkolog*innen in ihrer Ausbildung nicht gelehrt, wie Ausschabung etc funktionieren. Mittlerweile sind wir wieder in Rückschritten sondergleichen angelangt – die Abbildung nackter weiblicher Brüste bzw das posieren in starken Posen (woman-spreading) wird mit der Begründung von Unzucht geahndet. Auch stillende Frauen erregen immer noch öffentliches Ärgernis.


Hingegen anbieterisches, sexistisches Posing ist ok? Nein!


Ich halte es für kontraproduktiv dagegen anzugehen – noch mehr Rückschritte in miefiges, sexualfeindliches Bürgertum brauchen wir wirklich nicht!



Was wir aber brauchen ist eine weitere Befreiung der Sexualität, die schon alleine bei ihrer Begriffsbildung anfängt. Eine (lustvolle) Leiblichkeit ins Zentrum des Blickes zu rücken die all jenes mit einschließt was damit zu tun hat – nämlich auch Schwangerschaft, Geburt, Stillen  oder die bewusste Entscheidung dagegen.


Und bei diesen wichtigen Themen kann mehr als die Hälfte von uns nun mal einfach nicht mit reden – es fällt einfach nicht in ihr Metier!


Und da ist einfach mal still halten angesagt und kein neidisch werden auf den Säugling, der das Multitasking-Organ weibliche Brust gerade mal für sich besetzt und somit der Begierde eines erwachsenen Menschen keinen Raum lässt.



Sex im Sinne des spielerischen Umgangs mit sich selbst bzw anderen Körpern ist eine großartige Sache und gehört bei uns, die wir uns als kulturelle Spezies begreifen, eindeutig in unser kulturelles Leben integriert.


Lust um der Lust willen wird uns nicht beigebracht, da wir so ja nicht zu abhängigen Konsumenten von was auch immer erzogen werden können.



Die Erkenntnis, daß das Paradies in uns liegt ist immer noch unter Strafe gestellt.


Diese ur-weibliche Spiritualiät vernichtet den Absolutheitsanspruch männlicher, patriarchaler Machthaber und darf daher nicht zum Vorschein kommen.


Ego ist das Leibliche, das großartig, göttliche Wunder, warum wir es schaffen uns auf diesem Planeten überhaupt erst zu manifestieren, zu verdammen.


Gänzlich verbieten kann man es natürlich nicht, denn erstens muss die Spezies ja auch für Patriarchen weitergehen. Desweiteren haben uns ja die Kirchenväter eindrücklich gezeigt wohin die blanke Unterdrückung von Trieben führt. :-/


Gerade stehen müssen sie bis heute dafür nicht, im Gegenteil hat das ein Pabst vor nicht allzu langer Zeit nicht nur billigend in Schutz genommen sondern sogar öffentlich verteidigt!



Für alles „Böse“ haben wir ja weiterhin die „Erbsünde Eva“, übrigens in ihren Ausformungen erst seit ca. 800, als die Lehren der Urchristen anfingen zu verblassen und man seine Machtstellungen nicht aufgeben wollte.



Diese ewige „böse“ und „schlechte“ Versuchung war ein ausgezeichneter Trick um die Menschen moralisch bis ins Mark zu erschüttern und somit gefügig zu machen.


Denn diese unversiegbare Quelle der Versuchung beinhaltet die Gefahr, die Menschen über die geläufige Moral hinauszuführen. (Einschränkung und Herabsetzung der Ehe, Monogamie sowie Einschränkung und Herabsetzung der der Lust) (vgl. Foucault, Sexualität und Macht)



Wohin kann uns also ein Weg in puncto leiblicher Lust führen der den Menschen wohlgesonnen ist, ihre Leiblichkeit und Gesundheit fördert?


Denn Sexualität ist gesund, ebenso wie Lachen, Tanzen, Hüpfen und noch viele andere körperlichen Betätigungen die unser Herz im wahrsten Sinne des Wortes hüpfen lassen.


Als kulturelle Wesen haben wir für all diese Tätigkeiten, neben der spontanen, privat ausgelebten Art, unsere speziellen Riten geschaffen. Einige haben sich spezialisiert, sind Coaches und Berater, einige führen es geradezu öffentlich auf Bühnen auf.


In unserer spezialisierten Gesellschaft sind natürlich auch die ganzen Medien involviert, längst sind es nicht mehr länger nur Stan & Olli die in Schwarz-Weiss über das Zelluloid der Kinoleinwand huschen sondern Lachyoga kann ich mir als Kurs buchen, als YouTube Tutorial, Hörspiel, App etc mit nach Hause nehmen, mir einen Coach oder jemanden für seine Darbietungen in dieser Hinsicht buchen.


All diesen kulturellen Ausdrucksformen zu eigen ist eine individuelle, nach meinem persönlichen Gusto entscheidendes Auswahlkriterium. OK, das finanzielle spielt dabei natürlich auch eine Rolle denn eine App ist vergleichsweise preiswert zum persönlichen Lachyoga-Trainer.



Dasselbe gilt übrigens auch für das Tanzen, Hüpfen (Aerobic) und Sex?


Nein, bei der letzten lustvollen, gesundheitsfördernden Leiblichkeit wird noch immer eine Ausnahme gemacht. Woran liegt es?


Zu tief noch der Stachel des Unmoralischen im Fleische der Lust?


Auch.


Und das ewige Opfer – Täter Narrativ das sich anschließend an die widerliche Vergewaltigungskultur von Machthabern an Frauen aus dem Volke mit Ius Primae Noctis ableitet? Auch hier wieder ein negatives Beispiel institutionalisierter Sexualität.


Seinerzeit wurde den Frauen ja noch weißgemacht sie könnten ja glücklich sein daß


ER sie auserwählt habe. Übrigens eine Methode die auch heute immer noch zieht, was einmal mehr beweist mit welch mickerigem Selbstbewusstsein wir unsere heranwachsenden Frauen ausstatten!



Auch. Und das Unmoralische so etwas „unmoralisches“ wie leibliche Lust zu etwas so moralischem wie einem Job machen zu wollen.


Sexualtherapeut*innen haben es gerade eben so geschafft, doch erotische Tänzer*innen & Coaches stehen schon sehr viel weiter unten und werden mit einem zwinkernden Auge gerade mal akzeptiert. Das ist weit entfernt von angemessener Anerkennung. Persönliche Sexualbegleitung oder gar sexuelle Dienstleistungen per se werden absolut abgewertet. Immer noch stellen sie eine Bedrohung für den heiligen Stand der Ehe, für die gesellschaftliche Ordnung etc dar.


Really??



Wohl eher liegt es an der immer noch vorherrschenden Meinung Frau = Opfer und Mann = Täter


Gilt nicht dieses endlich mal zu durchbrechen und, anstatt institutionalisierter Drohgebärden individuelle Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln und kultivieren?


Auf beiden Seiten?


Hat in vielen anderen Bereichen der Gesellschaft ja auch geklappt.


Was die Zwischenmenschlichkeit bezüglich Sexualität und anderer Leiblichkeiten in dem hiesigen System, was immer noch auf die Ehe aufbaut angeht, hat es schon sehr gute Ansätze gegeben. Wir sind noch lange nicht am Ende und die Leute, die sich gegen die Strafbarkeit gegen Vergewaltigung in der Ehe ausgesprochen haben sitzen immer noch in unserem Bundestag und anderen führenden Positionen!


Aber zumindest wirst du als Frau nicht mehr „schuldig geschieden“ da du dich der großen Erbsünde Hurerei, übrigens die eigentliche Bedeutung des Wortes für Ehebruch, vergangen hattest.


Geholfen hat vor allem Unterstützung und Aufklärung in dem So-Sein als Ehefrau, nicht ihre Verdammung.



Gehen wir mit der Sexualität doch bitte ebenso um und schaffen Missstände aus der Welt in dem wir:



1. Vergewaltigungen endlich ahnden und die Täter nicht zu 90% mit Bewährungsstrafen davon kommen lassen


2. gefilmte strafbare Handlungen nicht länger als „Pornographie“ betiteln, denn es handelt sich ja nicht um wie auch immer geartete Film-Settings, in denen man in verschiedenen Genres herum-surfen kann (explizit Kinder-P.!)


3. Polyamorie und Hedonismus ebenso einen Platz einräumen wie wir es bei der LGTBQ Bewegung schon geschafft haben (auch da noch viel Luft nach oben aber wir bleiben dran)


4.Der Leiblichkeit der Weiblichtkeit und IHRER speziellen kulturellen Ausformungen einen Raum in dieser Gesellschaft einräumen und sie nicht ständig unter dem Deckmantel des Unzüchtigen einen Riegel vorschieben


5. Den Sexarbeitenden den Rücken und ihre Rechte stärken anstatt mit moralinsaurem Prostitutionsverboten um die Ecke zu kommen. Schon oft in der Geschichte konnten wir sehen wohin Prohibition führt – nämlich in die Illegalität und somit zu noch mehr Missständen für alle Betroffenen!



Wir brauchen Fachleute für diese Bereiche, Fachleute die einen aufgeräumten Zugang zu diesem wichtigen, menschlichen Thema haben und sich nicht bei dem Wort mit den drei Buchstaben kichernd, errötend wegdrehen wie angehende Teenager.



Wir brauchen Fachleute in der Therapie und Beratung, aber auch in der Begleitung und Massage, in den Filmen- & Cam-Sessions und, last but not least, in den Betten, Heuschobern und auf den Canapés mit Wissen über Gesundheit, Self-Care, Praktiken, psychologische Hintergründe, klientenzentriertes Arbeiten, Finanzielles, soziale Absicherung, Ein- bzw. Ausstieg, Arbeitsorte & Auftraggeber, Kundenaquise, Weiterbildungen etc pp.



Und nein, nicht  für jede*r ist  dieser Jobs geeignet - aber welcher Job ist das schon?!

Blog-MadameKALI