Ich bin eine Hure – und ich stehe dazu!
Ich bin sichtbar, damit andere es nicht sein müssen.
Auch weil andere es gar nicht können weil sie noch mehr Repressalien zu befürchten haben als ich. Damit meine ich nicht nur das berüchtigte Hurenstigma sondern auch ganz klar Bedrohungen von z.B. Gesetzen oder Druck der (Groß-)Familien in den Ländern, in denen sie heimisch sind und die never ever was von ihrer Tätigkeit hier in Deutschland erfahren dürften!
Vielleicht ist es auch einfach eine meiner Aufgaben als Künstlerin über dieses Thema innovativ und reflexiv zu berichten, denn ehrliche Künstler*innen sind ja nicht aus Eitelkeit heraus so wie sie sind, sondern weil sie in irgend einer Weise was zu sagen haben. Künstler*innen haben schon immer gerne den Finger in die Wunden der Gesellschaft gelegt und dabei gesellschaftliche Entwicklungen vorgeahnt, angestupst oder vor allem eben vorgelebt!
Kunst als Gegenentwurf zum Mainstream, als Gegenentwurf zu kapitalistischen Erfüllungsgehilfen wie glatt gebügelte Walt Disney oder Netflix Produktionen. Kreativität und Phantasie statt dumpfen Konsum. Neue Räume schaffen, wagen, denken. Subkultur hilft mir dabei überdies die beste Version von mir selbst zu werden.
Darstellende Künstlerinnen waren in der Geschichte übrigens oft mit Sexarbeitenden gleichgesetzt.
Im alten Rom unterlagen sie ebenso nicht den üblichen strengen Keuschheitsgesetzen der (weiblichen) Allgemeinbevölkerung. Für sie, ebenso für die Sexarbeitenden gab es regulative Ausnahmen.
In der angeblich so aufgeklärten Renaissance Zeit wurden sie allerdings von den Bühnen der Welt verbannt da es sich nicht schickte mit Körperlichkeiten wie Gesang, Theaterspiel oder Tanz Geld zu verdienen – als Frau erst recht nicht! Es war dies die Zeit der ersten großen Hurenverdrängung, besser gesagt Leugnung, die der damals recht neuen und nicht unerheblich grassierenden Syphilis Einhalt gebieten sollte. Spoiler: das Penicillin verschaffte dann erst Abhilfe vor nicht mal 100 Jahren, Huren gab es natürlich weiterhin zu allen Zeiten.
Und – oh Wunder – waren Huren auch immer ein Anzeiger für die Stellung der Frauen in der Gesellschaft. Je freier die Dirnen, Hübschnerinnen, Huren oder wie auch immer der Zeitgeist die Liebesdienerinnen zu nennen pflegte, waren, umso besser ging es in der Regel auch allgemein den Frauen.
Ein Verbot der Prostitution (und das gab es in den vergangenen Jahrhunderten immer mal wieder, da so vergeblich versucht wurde die Syphilis einzudämmen) führte zu keiner Zeit zu einer Verbesserung von Frauenrechten oder Rechten von Sexarbeitenden.
Ganz im Gegenteil musste eine Frau, die sich sexuell entfaltet hat nicht nur mit sozialen, sondern auch mit juristischen Konsequenzen rechnen! In den 1920er Jahren galt sogar noch die Erfüllung sexueller Genüsse als Beweis der Sexarbeit, da dies als „Zahlungsmittel“ angesehen wurde.
Nach dem Philosophen Michael Focault (1926 – 1984) ist die Sexualität ein besonders dichter Durchgangspunkt für die Machtbeziehungen zwischen Menschen. Das heißt aber auch, dass hier auch wieder die Machtbeziehungen neu gestaltet werden können!
Die Sexarbeits-Aktivistin Domenica Niehoff wurde ja zu Unrecht immer wieder als Domina bezeichnet – vielleicht lag es einfach daran, dass es bis dahin noch keine Vorstellung von einer Frau gab die als Sexarbeiterin jenseits des Rotlichtviertels mal sagte was Tacheles ist? Die Aufstände der (Hamburger) Huren der 1920er Jahre sind ja leider kaum bekannt.
Ebenso wie der Aufruhr der ca. 6.000 Sexarbeiterinnen und ihrer Liebhaber, Angehörigen, Personal etc. als Papst Pius V ausgerechnet am Feiertag der Hl. Magdalena (22.7.1566) jegliche Prostitution für „abgeschafft“ erklären wollte. Er musste bei diesem immensen Druck zurück rudern – Prostitution lässt sich eben nicht so „verbieten“, Sexualität ist auch kein Verbrechen, egal was moralische Sittenwächter*innen auch dazu sagen!
Die Hure galt (und gilt leider immer noch) als Negativfolie für die ehrbare Frau, der damit im übrigen der Weg zu einer frei und selbstbestimmt ausgelebten Sexualität erschwert wird. Wer will schon gerne wie „so eine“ sein, da ist es wieder, dieses unsägliche Hurenstigma.
Die Diskriminierung von Sexarbeitenden dient lediglich als Mittel der sexuellen Unterdrückung aller Frauen.
„Du Hure!“ – einem Don Juan, selbst einem Marquis de Sade hätte man so etwas nicht gewagt zu sagen! „Wenn du dich anständig verhältst hast du ja nichts zu befürchten und wenn dir was passiert warst du eben nicht anständig! Du willst doch nicht ernsthaft in diesem kurzen Lederminirock…??“
Die Wanderausstellung „Was ich anhatte“ zeigt im übrigen die Kleidung die Frauen bei sexualisierter Gewalt anhatten – mitnichten sehen wir dort aufgerüschte Abendmode, garniert mit exclusiven Lingerie und Stöckelschühchen! Als würde es diese Erkenntnisse nicht schon längst geben poltert die sog. Feministin A. Schwartzer was von „Nuttenmode“ was zum einen mehr als nur diskriminierend für Sexarbeiter*innen und vor allem täterrelativierend ist!
Verletzungen und Übergriffe finden in den allermeisten Fällen im Nahbereich einer Person statt – z.B. in der Ehe, Partnerschaft und anderen Familienbünden. Bis 1997 galt es dies auch hinzunehmen „….so fordert die Ehe von ihr <Ehefrau> doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen.“ (BGH 1966) Erst 1997 wurde dieses Gesetz aufgehoben, gegen den Willen so mancher noch immer in hohem Bundestag-Amt befindlichen Politikern!
Doch ich schweife ab, kehren wir zurück zum Thema Sexarbeit und warum es wichtig ist dies auch im Sinne der emanzipatorischen (Frauen-)Bewegung zu sehen.
In der Aufbruchsstimmung der 1920er Jahren waren viele alleinstehende und lesbische Frauen sowie Frauen der Frauenbewegung als Sexarbeiterinnen unterwegs, schon alleine um ihre ökonomische Unabhängigkeit zu sichern!
Marlene Dietrich in ihrer neuen, anderen, fernab vom bisher üblichen Frauenbild gelebten freien Sexualität war vielen ein Vorbild. Nur hatten die meisten ihrer Verehrer*innen nicht so tolle Filmgagen um über die Runden zu kommen.
Mit Sexarbeit ließ sich besser, schneller, einfacher Geld verdienen als in den damals noch relativ neuen Fabriken. Auch August Bebel kritisierte dies und vor allem die schlechten Löhne ebenda – aber es hat sich bis heute nicht viel daran geändert; weder an den Bedingungen der Lohnarbeit für marginalisierte Menschen, noch an den Gründen eben darum in die Sexarbeit zu gehen!
Diese nach Unabhängigkeit und anderen Rollen- und Familienmustern strebenden (meist) Frauen wurden dann im dritten Reich aufs übelste gegeneinander ausgespielt und in die Lager gesteckt und größtenteils ermordet. Trans Menschen sowie bi- & homosexuelle Männer wurden unter entmenschlichten Voraussetzungen hingerichtet oder zwangssterilisiert und galten als biologistische Begründungen für weitere Morde und Übeltaten.
Sexarbeiterinnen wurden z.T. in gesonderten Baracken gezwungen, Dienste zu leisten. Anerkannt wurden diese Verbrechen im Namen der Sexualität nie, keine Sühne, keine Entschädigungen bis heute.
Doch „Man muss nicht fragen warum sich Frauen prostituieren, sondern warum es nicht mehr tun.“ Simone de Beauvoir, 1949.
Zeit wird es also endlich für eine bewusste sexuelle Identität, wie sie auch schon ein Magnus Hirschfeld für die schwule und queere Community definiert hat.
Nicht länger eine versteckte, verschämte, auch weil sonst immer wieder Angriffen von außen preisgegebene Sexualität, sondern endlich kräftig in den Apfel der Erkenntnis, dargereicht von der kulturanthropologisch wesentlich älteren Serpent/Sapientia (Schlange, die Wissen und Weisheit symbolisiert) gebissen und genossen, egal was der Papa Patriarch dazu sagt.
In diesem Sinne: Guten Appetit und genießt mit allen Sinnen!