Jobprotokoll einer Domina "Meine Kunden haben eins gemein: Sie wollen ihren Fetisch ausleben"

 

  • Zwischen Wunsch und Wirklichkeit ist in vielen Berufen jede Menge Platz. In der Serie "Das anonyme Jobprotokoll" erzählen Menschen ganz subjektiv, was ihren Job prägt - ob Tierärztin, Staatsanwältin oder Betreuer im Jobcenter.
  • "Eine junge Frau steht mit kurzem Röckchen und High Heels bekleidet an der Straße und wartet darauf, dass ein Mann in einem Mercedes an ihr vorbeifährt, gönnerhaft die Fensterscheibe herunterkurbelt und ihr einen Schein entgegenstreckt. Dieses Bild haben viele Menschen von meiner Arbeit. Das ärgert mich sehr, denn es entspricht meistens nicht der Realität.
  • Die arme Frau und der böse Mann, der Verführer - das war einmal. Der Großteil der Kundschaft sind zwar immer noch Männer. Aber auch immer mehr Frauen und trans- oder intersexuelle Menschen nehmen die Dienste von Sexarbeiterinnen wie mir in Anspruch. Die Gesellschaft wandelt sich, genauso wie die Sexarbeit.

    Meine Kunden haben nur eins gemeinsam: Sie wollen ihren Fetisch ausleben. Es kommen Männer zwischen 18 und 80 Jahren zu mir, aus allen gesellschaftlichen Schichten. Manchmal nehmen auch Paare oder Menschen mit einer Behinderung meine Dienste in Anspruch. Die Menschen, die mich buchen wollen, müssen aber geschäftsfähig sein.

    In der Regel komme ich nicht zu ihnen, sondern sie zu mir, denn die Vorzüge und Ausstattung eines Domina-Studios kann man schlecht in einen Koffer packen. Mein Studio ist offiziell angemeldet, ich zahle sowohl Steuern als auch meine Beiträge zur Pflege-, Renten- und Sozialversicherung wie alle anderen Selbstständigen auch.

    Analspiele und Prostatamassagen

    Ich erfülle meinen Kunden sexuelle Wünsche und Vorlieben, die ihre Partner vielleicht ablehnen. Manche erregt es, sich einfach mal fallen zu lassen und ausgeliefert zu sein, vielleicht auch komplett fixiert zu werden. Manche möchten ausgiebige Analspiele oder Prostatamassagen erleben. Der nächste wünscht die härtere Gangart mit einer Peitsche. Aber auch Spiele mit verschiedenen Sextoys gehören dazu.

    Die Kunden kontaktieren mich per Mail oder über das Handy. So kann ich eine Vorauswahl treffen. Männer, die einfach nur 'Was kost'n Blasen?' ins Telefon brüllen, nehme ich gar nicht erst an. Die Adresse meines Studios steht auch nicht öffentlich im Internet.

    Das, was in den Sessions passiert, legen meine Kunden und ich in einem Vorgespräch genau fest. Sie füllen zum Beispiel einen Fragebogen aus, auf dem sie angeben, ob sie mit ihrem Vornamen, einem Kosenamen oder einem Schimpfwort angesprochen werden möchten und welche Hilfsmittel ihnen Lust bereiten. Sie können auch eintragen, welche Kleidung ich bei der Session tragen soll: Lackstiefel, Latex oder Kostüme, etwa ein Krankenschwesteroutfit. Aber letztendlich entscheide ich selbst, ob ich einem Kunden diese Wünsche erfülle oder nicht.

    Safe, sane, consensual - sicher, sauber, in gegenseitigem Einvernehmen. Diese drei Grundsätze des BDSM nehme ich in meiner Arbeit sehr ernst. Kondome und Gummihandschuhe brauche ich deshalb eine ganze Menge, auch, um das Sexspielzeug sauber zu halten.

    Lange Gespräche mit Kunden

    Mit manchen Kunden führe ich lange Gespräche. Einige erzählen mir zum Beispiel, warum sie überhaupt zu mir kommen. Ich erinnere mich noch genau an den Mann, der mich regelmäßig besuchte - und sich ständig rechtfertigte. Seine Frau war an Fibromyalgie erkrankt. Sie hatte unerträgliche Schmerzen bei jeder Berührung und ihrem Mann deshalb erlaubt, mich zu besuchen. Ich hatte Mühe, ihn endlich in einen entspannten Zustand zu versetzen und sich körperlich fallen zu lassen und mal nur an sich zu denken.

    Natürlich sind auch verheiratete Männer unter meinen Kunden. Warum mich jemand aufsucht, muss mir aber egal sein: Ich habe es mit Erwachsenen zu tun, die für ihr Handeln selbst Verantwortung übernehmen müssen.

    Über die Preise meiner Sessions möchte ich nicht öffentlich sprechen. Sie hängen von den Wünschen meiner Kunden und von der Zeit ab, die ich für sie aufbringe. Aber ich kann gut von dem Job leben. Und er ermöglicht mir, meinem eigentlichen Beruf nachgehen zu können: Ich bin Künstlerin und wollte gern Zeit haben für meine Kunst. Eine Domina zu sein erlaubt es mir, dieser Tätigkeit nachgehen zu können.

    Ich bin Fetischistin und habe, bevor ich mich vor fünf Jahren selbstständig gemacht habe, auch privat schon viele Sado-Maso-Partys besucht, in Dominastudios gearbeitet und mich umfassend informiert. Für mich ist das eine Grundvoraussetzung. Man braucht schon ein Faible, um so einen Beruf ausüben zu können. Man kann nicht sagen: 'Ich nehme mir eine Peitsche in die Hand und dann verdiene ich einfach viel Geld.' Auch das Wissen um die Praktiken sowie eine gute Menschenkenntnis sind wichtig.

    Klare Ansage bei Grenzüberschreitungen

    Trotzdem kann es in meinem Job natürlich auch mal gefährlich werden. Wenn Kunden Grenzen überschreiten und auf etwas bestehen, das ich ihnen nicht geben möchte oder kann. Zwei Kunden musste ich bisher eine klare Ansage machen, nachdem sie in der Session übergriffig wurden. Einer kam danach nicht wieder, der andere ist immer noch Stammkunde. Aber beide entschuldigten sich und waren ganz reumütig.

    Ich bin froh, in einem Umfeld zu arbeiten, in dem sich Sexarbeitende gegenseitig unterstützen und aufeinander achten, falls doch mal etwas passieren sollte. Die Polizei rufen musste ich noch nie.

    Leider gibt es in meinem Beruf aber auch Frauen, die Opfer von Gewalt, Zwang oder Menschenhandel geworden sind. Denen muss dringend geholfen werden - was nur über die Legalisierung von Sexarbeit funktioniert. Denn nur dann können Frauen, die schlecht behandelt werden, auch legal Anzeige erstatten, ohne große Nachteile befürchten zu müssen. Sexarbeit lässt sich durch Gesetze nicht verbieten.

    Mit Stigmatisierungen habe ich persönlich nicht so viel zu tun: Meine Familie und mein Freundeskreis nehmen meinen Beruf gut auf. Ich rede genauso über meinen Job, wie es jeder andere macht. Manchmal nehme ich Kundengespräche sogar an, während ich bei Freunden bin. Wenn ich dann am Telefon nach Analmassagen gefragt werde, sind meine Freunde schon mal irritiert. Aber für mich ist das ganz normal. Es ist ein Job wie jeder andere auch."

     

     

     

    online gestellt am: Samstag, 05.10.2019 08:55 Uhr

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